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Von der kbo-Gesamtstrategie zur digitalen Patientenakte

Durch enge Zusammenarbeit des kbo-ISK, der kbo-EVA und der ITBO war es möglich, die digitale Patientenakte in kürzester Zeit im kbo-ISK einzuführen. Ein Interview thematisiert die Herausforderungen und Erfolge der digitalen Transformation.

Nachhaltigkeit, Integrität und Zuverlässigkeit – diese Werte bilden die DNA des Kommunalunternehmens Kliniken des Bezirks Oberbayern (kbo), deren Anwenderinnen und Anwender wir betreuen. Als klinische Unternehmensgruppe in öffentlicher Trägerschaft ist sich die kbo ihrer besonderen gesellschaftlichen Verantwortung stets bewusst. Ihre Werte sind Leitlinie im Umgang mit Patientinnen und Patienten, Mitarbeitenden sowie finanziellen und ökologischen Ressourcen.

Die Stärke in der Umsetzung der Gesamtstrategie liegt darin, einerseits dezentral in den kbo-Gesellschaften vor Ort Entscheidungen zu treffen und andererseits im Verbund gemeinsam an Zukunftsthemen zu arbeiten. Durch diese enge Zusammenarbeit über verschiedene Gesellschaften und Bereiche hinweg und den unermüdlichen Einsatz aller Beteiligten, konnte mit der Einführung der digitalen Patientenakte im kbo-Inn-Salzach-Klinikum ein bedeutender Schritt in Richtung einer modernen und effizienten Gesundheitsversorgung unternommen werden. Dieses Pilotprojekt ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie die Strategie zur nachhaltigen Digitalisierung Realität werden kann.

Die Einführung der digitalen Patientenakte stellt nicht nur einen Meilenstein für das kbo-Inn-Salzach-Klinikum dar, sondern setzt auch neue Maßstäbe für den gesamten kbo-Klinikverbund. Besonders hervorzuheben ist die mit der Einführung einhergehende Erhöhung der Patientensicherheit. Durch den schnellen und direkten Zugriff auf vollständige und aktuelle Patientendaten können die Qualität der medizinischen Versorgung signifikant verbessert und Fehler beträchtlich reduziert werden.

Im folgenden Interview beleuchten Dr. Karsten Jens Adamski, Dr. Tobias Winkler, Dr. Benedikt Ehlich, Andreas Hein, Nikolaus Schrenk und Florian Oberbauer die Herausforderungen und Erfolge auf dem Weg zur digitalen Transformation.

Zu diesem Anlass führte Gertrud Engstle, Referentin für Unternehmenskommunikation der ITBO mit den Beteiligten ein Interview.

Nikolaus Schrenk, Vorsitzender Geschäftsführer der IT des Bezirks Oberbayern GmbH (ITBO)

Andreas Hein, Abteilungs- und Projektleiter Verwaltung/IT

Dr. Benedikt Ehlich, Oberarzt Fachbereich Allgemeinpsychiatrie

Dr. Tobias Winkler, Chefarzt in der Klinik für Neurologie

Dr. Karsten Jens Adamski, Geschäftsführer des kbo-Inn-Salzach Klinikums (kbo-ISK)

von links nach rechts

 

Erfolgreiche Einführung der digitalen Akte im kbo-ISK: Ein gemeinschaftliches Projekt zur Digitalisierung und Verbesserung der Patientenversorgung

Gertrud Engstle: Wie wurde das Projekt „Einführung der digitalen Akte im kbo-ISK“ organisiert und umgesetzt?

Nikolaus Schrenk: 2018 gründeten wir zusammen mit Klinikgeschäftsführern die kbo-EVA, um die Digitalisierung anders anzugehen. Wir schufen eine Gesellschaft, die nur den Kliniken gehört, sodass sie ihren Digitalisierungsgrad selbst bestimmen können. Dies war Teil unserer Strategie, kbo zu digitalisieren und sowohl das Arbeitserlebnis der Mitarbeitenden zu verbessern als auch die Patientensicherheit zu erhöhen. Mit der kbo-EVA und Unterstützung verschiedener Experten entwickelten wir einfache, schnelle Standards für eine digitale Visite im kbo-ISK. Der Neubau bot die Gelegenheit, neue Prozesse einzuführen. Wir erneuerten das Projektmanagement, die Lieferantensteuerung und den Datenschutz. Das kbo-ISK setzte in beeindruckender Performance die nächsten Schritte um, was zu einem schnellen und qualitativ hochwertigen Projekt führte.

Dieses Modell dient nun als Vorreiter für alle kbo-Kliniken. Von den Erfahrungen profitieren alle, sei es bei Visitenwagen, WLAN-Einbindung oder neuen Betriebssystemen. Eine glückliche Fügung ermöglichte uns die Nutzung der IGEL-Systeme. Wichtig war, das Gesamtbild und die Kosten im Blick zu behalten, um allen Mitarbeitenden und Patienten das gleiche Niveau zu bieten. So haben wir gemeinsam aus der großen kbo-Strategie ein agiles, erfolgreiches Projekt gemacht.

Andreas Hein: Wir haben uns zuerst mit den Ärztinnen und Ärzten und Pflegerinnen und Pflegern zusammengesetzt, um herauszufinden, was die Anforderungen der Hardware vor Ort sind und was am besten für die Umsetzung geeignet ist, wie beispielsweise Laptops oder Visitenwägen und sie in Zusammenarbeit mit der ITBO eingebunden. Beginnend in der Neurologie haben wir die Inbetriebnahme auf den ganzen Neubau und auch auf alle Stationen flächendeckend ausgedehnt.

Dr. Benedikt Ehlich: In Deutschland erwarten Patientinnen und Patienten, dass wir digital arbeiten, alles funktioniert, datensicher und praktikabel ist.

Wie wurde das Projekt „Einführung der digitalen Akte im kbo-ISK“ organisiert und umgesetzt? 

Dr. Tobias Winkler: Die Tatsache, dass man den Digitalisierungsgrad erhöhen muss, ist auch aufgrund der gesetzlichen Anforderungen klar. Wir hatten durch den Klinikneubau, der im September 2022 bezogen wurde, die große Chance ein Projekt vom weißen Papier weg zu gestalten und unsere eigenen Digitalisierungsstandards zu erhöhen. Wir mussten nicht bestehende Prozesse umbauen, sondern haben komplett neue Strukturen vorgefunden und konnten uns Gedanken machen: „Wie soll es aussehen?“ Es war immer wichtig für alle Beteiligten, dass alle Berufsgruppen frühzeitig mit einbezogen wurden. Deswegen hat es auch sehr, sehr gut und auch schnell geklappt. Wir haben innerhalb der ersten Wochen nach dem Umzug schon so viel geschafft, von dem ich dachte wir würden zwei, drei Jahre dafür benötigen.

Dr. Karsten Jens Adamski: Bei größeren Projekten ist es immer ein Thema, die Kommunikation zwischen den Beteiligten unabhängig von der Organisationsstruktur sicherzustellen und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitzunehmen. Ich freue mich, dass wir zu Herrn Schrenk und seinem Team einen extrem guten Draht haben und alle Themen kurzfristig und auf kleinerer Ebene adressieren können. Die ITBO ist auf ärztliche und pflegerische Kolleginnen und Kollegen zugegangen, hat deren Bedürfnisse aufgenommen und diese in entsprechende elektronische Prozessketten involviert. Wir konnten das Projekt nur in Zusammenarbeit mit den Experten von der ITBO stemmen, allein hätten wir das nicht geschafft. Dafür nochmals ein dickes Dankeschön.

Nikolaus Schrenk: Den Dank möchte ich zurückgeben. Ich kann nur sagen, es geht nur zusammen. Das kbo-ISK hat sich ganz mutig auf den Weg gemacht. Andreas Hein war ganz neu hier und es war eine Challenge, als Neuer ein solches Projekt „mitzurocken“.

Wenn wir alle unser Wissen zeitgleich zusammen bringen, hat kbo große Kraft Dinge voranzutreiben.

Und da kann ich nur sagen, an die Neuro, an die Mitarbeitenden, an Andreas Hein und seine Truppe, Herrn Adamski und meine eigenen Leute – wir können wirklich stolz auf uns sein.

Die digitale Akte: Effizienz, Sicherheit und Akzeptanz in der modernen Medizin

Gertrud Engstle: Welche Vorteile entstehen durch die digitale Akte für Anwendende und die Patientinnen und Patienten?

Florian Oberbauer: Durch die Umstellung von analogen Kassettendiktaten auf cloud-basierte Spracherkennung, wird eine effizientere und präzisere Dokumentation von Patienteninformationen ermöglicht. Das optimiert Arbeitsabläufe und steigert die Qualität der medizinischen Versorgung.

Dr. Tobias Winkler: Die digitale Akte erleichtert Pflegekräften und Ärztinnen und Ärzten die Arbeit und deren Abläufe, da mehrere Personen zugleich auf sie zugreifen können. Natürlich sind da auch viele Ängste dabei. „Was kommt auf uns zu? Wir haben kein Papier mehr!“ Und nach ein, zwei Wochen haben die Pflegekräfte, Ärzte und auch Therapeuten gesagt:

Wir wollen die digitale Akte nicht mehr hergeben.

Ein weiterer großer Vorteil ist, dass die Patientensicherheit erhöht wird. Wenn Medikationen elektronisch angeordnet werden, kann die entsprechende Software Dosierungsempfehlungen und Warnmeldungen bei Wechselwirkungen ausgeben.

Dr. Karsten Jens Adamski: Wir haben jetzt eine idealtypisch-konfigurierte Neurologie, mit der wir nicht nur mit einem neuen Gebäude exzellente Medizin betreiben können, sondern ergänzend durch die elektronische Akte echten Mehrwert stiften.

Digitalisierung im Krankenhaus

Gertrud Engstle: Welche Rolle spielen das Krankenhauszukunftsgesetz und die Telematik-Infrastruktur in Bezug auf die mobile Visite?

Florian Oberbauer: Das Krankenhauszukunftsgesetz hat die Einführung zahlreicher Medico-Module gefördert, die das digitale Arbeiten unterstützen. Besonders hervorzuheben sind die eMedikation und die digitale Fieberkurve.

Die ITBO spielte hierbei eine entscheidende Rolle, indem sie in Zusammenarbeit mit CompuGroup Medical (CGM) ein spezielles Medico-Ausfallsystem entwickelte und integrierte. Eine 24/7-Verfügbarkeit der medizinischen Daten ist inzwischen unerlässlich.

Im Zuge der Einführung der Telematikinfrastruktur wurden wichtige Dienste wie Kommunikation im Gesundheitswesen (KIM), die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) und das elektronische Rezept (eRezept) eingeführt. Zukünftig wird auch der elektronische Arztbrief integriert, was den Informationsaustausch im Gesundheitswesen weiter verbessert.

Was bedeutet Telematikinfrastruktur?

Infokasten

  • Digitale Akte – ist die Akte, die Ärzte oder das Pflegepersonal nun in digitaler Form verwenden.
  • Digitale Visite – ist die Visite, die Ärzte oder das Pflegepersonal mit Hilfe digitaler Anwendungen durchführt.
  • eAU – ist die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU).
  • eMedikation – hier werden alle verordneten und abgegebenen Medikamente für 18 Monate gespeichert.
  • eArztbrief – ist die schnelle und sichere Alternative zum Versand per Post, Fax oder direkt über den Patienten.
  • eGK – Elektronische Gesundheitskarte
  • eHBA – Elektronischer Heilberufsausweis
  • eMP – elektronischer Medikationsplan.
  • ePA – die elektronische Patientenakte ist eine digitale, vom Patienten geführte Akte und das zentrale Element der TI. Mit ihrer Hilfe kann der Patient medizinisch relevante Daten lebenslang zentral und einrichtungsübergreifend speichern und diese behandelnden Ärztinnen und Ärzten sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten zur Verfügung stellen.
  • eRezept – Verordnungen werden in elektronischer statt in Papierform übermittelt.
  • KIM – Kommunikation im Medizinwesen – ermöglicht einen schnellen und sicheren Datenaustausch zwischen allen Akteuren des Gesundheitswesens.
  • NFDM – Notfalldatenmanagement – dient dazu, dass Ärztinnen und Ärzte in einem medizinischen Notfall wichtige notfallrelevante Informationen direkt von der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) abrufen können.
  • SMC-B – Security Module Card Typ B. Um sich in der Telematikinfrastruktur (TI) auszuweisen, benötigt jede Praxis einen Praxisausweis, auch SMC-B genannt.
  • VPN – Virtuelles Privates Netzwerk
  • Medico – CGM MEDICO® ist ein ganzheitliches, integriertes Krankenhausinformationssystem, das die medizinisch-pflegerische und die administrative Wertschöpfung im Krankenhaus gleichermaßen unterstützt.
  • Social Hub – zu Deutsch: gesellschaftlicher Mittelpunkt, sozialer Knotenpunkt. Mittel zur interaktiven Kommunikation über Intranet.

Die digitale Transformation für alle kbo-Kliniken

Ein Blick in die Zukunft bis 2026 und darüber hinaus

Gertrud Engstle: Herr Schrenk, wie ist der Ausblick, wenn wir an die kbo-Kliniken insgesamt denken?

Nikolaus Schrenk: Wir sind, was Digitalisierung angeht, tatsächlich in allen Kliniken schon sehr weit. Wir haben uns im Jahr 2021 dem sogenannten Digitalradar gestellt. Das ist eine Reifegradmessung – wo steht kbo im deutschlandweiten Ranking? Da waren wir schon am Ende des ersten Drittels, das heißt, selbst ohne die neuen Projekte waren wir schon besser, als wir selbst von uns geglaubt haben. Wir waren als Psychiatrie ganz weit vorne. Bis Ende 2026 wollen wir den digitalen Behandlungsprozess realisiert haben, sprich es soll kbo-weit das gleiche Niveau an digitaler Visite, digitaler Medikation und digitalem Entlassmanagement zur Verfügung stehen.

 Darüber hinaus wollen wir mit den anderen Partnern im Gesundheitswesen über die Telematik-Infrastruktur Informationen austauschen können. Sodass unabhängig vom kbo-Standort, jede Patientin und jeder Patient das gleiche Patientenerlebnis haben. Aber nicht nur sie, sondern ganz wichtig, die Mitarbeitenden und auch die anderen Partner im Gesundheitswesen, denn wir haben eine Strahlungswirkung. Auch andere Kliniken sehen, was hier passiert. Es ist vertrauensbildend, wenn wir generell gut zusammenarbeiten und nicht nur dann, wenn es um alltägliche Kleinigkeiten geht.

Wir starten Ende Mai mit dem nächsten Modellprojekt „Mehrsprachigkeit“, also: „Wie kann man sich gut mit Patientinnen und Patienten verständigen, wenn deren Muttersprache nicht Deutsch ist?“ Unser nächstes Pilotprojekt wird die Digitale Barrierefreiheit, die Sprache und den Umgang mit gehörlosen Patientinnen und Patienten sowie unsere älter werdende Belegschaft in den Fokus nimmt. Ab 2025 haben wir deswegen Social Hubs und Ähnliches in unserer Konzernstrategie verankert. Auch hier wird das kbo-ISK ein erster Tester.

Hinzu kommt, dass wir immer mehr Mitarbeitende haben, die muttersprachlich nicht Deutsch sprechen. Wie können wir sie unterstützen, mit Patientinnen und Patienten und auch untereinander zu kommunizieren?

Ich glaube, da werden wir spannende Lösungen finden, die Behandlung zu verbessern und unseren Mitarbeitenden die Arbeit zu erleichtern.

Das heißt, nach 2026 hört es nicht auf, es geht immer weiter.

Rückblick und Ausblick auf die Digitalisierung in den kbo-Kliniken

Rückblick und Ausblick auf die Digitalisierung in den kbo-Kliniken

Gertrud Engstle / Annette Schusser | 08. Juli 2024
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Bildquelle: Pixabay, ITBO